Eine Doppelhaushälfte aus den 30er Jahren, deutlich in die Jahre gekommen, wartete mit drei Wohneinheiten auf und überzeugte wohl am stärksten mit dem großen Garten in Richtung Süden, an den eine Naturschutzzone anschließt, die weitestgehend sicher zukünftige Nachbarn unwahrscheinlich werden lässt. Unsere Bauherrschaft hat sich in den Kopf gesetzt das Haus wieder auf Vordermann zu bringen, es in Richtung Süden zu erweitern und bis unter den First hin für die ganze Familie auszubauen. Genau hier, unter dem First, da zeigte das Haus aus kleiner Luke ein Geheimnis, weshalb der Einbau eines großen Dachflächenfensters wohl schon vor der Wahl des Architekten gesetzt war. Unser Büro durfte dann bei der Wahl des Produktes aushelfen, denn mit großen Dachfenstern kennen wir uns bekanntlich nicht so schlecht aus. Aber auch für eine attraktive Erweiterung des Altbestandes sollten wir sorgen und das Gebäude irgendwie zu neuem Leben erwecken, ohne den Charakter des Hauses überstrapaziert umzuformen.
Wir gehen davon aus, dass die fünfköpfige quirlige Familie das mit dem "Leben einhauchen" eigentlich ganz gut alleine hinbekommt. Dennoch klebt so einer Doppelhaushälfte ja doch auch irgendwie etwas behäbig Uneingeständiges an, was so gar nicht zu unserer Bauherrschaft passt. Wie üblich haben wir uns traditionsbewusst daran gemacht der Hälfte mehr Selbstbewusstsein einzuhauchen: die Bestandsguppen wurden zu Gusten großer mittig positionierter Gauben abgerissen, mehr Raum und Höhe sowie viel viel mehr Licht dabei generiert sowie einem Fassadenkonzept, was das Haus zurück in seine Vergangenheit holt und mit moderner Fassadenfarbe nicht antiquar wirken lässt. Den versteckten Eingang unter dem Vordach haben wir nach vorne geholt, eine Adresse geschaffen und etwas mehr Platz zum Ankommen gegeben. Auf der Rückseite fand sich zu Beginn eine kleine schmale Pergola die Licht und Luft in den Grundriss ließ. Die Pergola haben wir mit dem neuen Erweiterungsneubau überbaut; leider konnte dieser aus planungsrechtlichen Gründen nicht etwas großzügiger ausfallen, was die Arbeit an den Grundrissen vereinfacht hätte...
Das Erdgeschoss wurde fast vollständig ausgehöhlt und mit dicken Stahlträgern zu einem großzügigen Wohnraum mit Küche und Essbereich umgestaltet. Von letzteren lässt es sich einfach auf die riesige Terrasse ausweichen, die hinab in den Garten führt der viel Platz für Spaß und Spiel bietet. Ohne viel Aufregung haben wir in die Wohnebene noch ein Musikzimmer und eine Gästebad integriert.... leider sperren sich die Bauherrn noch vor der "richtigen" Wahl der Garderobe, die das historische Treppenhaus etwas besser aus dem Grundriss separieren würde.
Das Obergeschoss wurde den drei Kindern überlassen. Separates WC nebst Familienbad, Hauswirtschaftsraum und offener Spielbereich runden die Nutzung der Etage ab, bevor es nach oben zu den Eltern geht, die sich etwas Ruhe verdient haben. Die Gaube nach hinten wurde nicht ganz so historisch wie zur Strasse hin, dennoch selbstbewusst mittig vor das Flachdach des Anbaus gesetzt und mit einer Dachterrasse geplant. Betreten wird sie vom Elternbad mit ausziehbarer Sauna sowie vom Schlafzimmer. Weiter finden sich ein Gästezimmer in der Etage sowie ein Ankleidezimmer mit Treppen-Schrank, der in den Dachspitz führt und dann das kleine Luken-Geheimnis lüftet.
Es war ein nicht immer nur einfaches Projekt; Projektstart fiel auf den Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Abstimmungen gerade zu Beginn waren nicht einfach und die ganze Coronaaufregung und Homeoffice haben uns schwer in das Projekt finden lassen. Es bedurfte ein paar strenger Worte und unseren Wunsch das Projekt zu gestalten, dass wir dann schließlich doch alle an einem Strang ziehen konnten, Genehmigung eingeholt und Baustart aus dem Boden gestampft! Von da an hat sich das Projekt immer weiter ausgestaltet und konnte dann schließlich zum Sommer 2022 bezogen werden.
Stolz sind wir auf die tatsächlich traditionsbewusste Ausgestaltung des Doppelhauses: Dem Haus wohnt der Geist der 30er inne, zeigt sich selbstbewusst in seiner Farbe mit roséfarbenem Eingang und mit seiner spiegelgleichen Giebelseite, die genau so überhaupt gar nie wahr war. Auch der Anbau macht uns als Architekturbüro glücklich; unterhalb der Traufe untergräbt der Anbau nicht die Dominanz seines Ursprungs. Im Innen wartet das Projekt mit lichtdurchfluteten Räumen auf. Eine quirlige Ausstattung gepaart mit Raum schafft Platz für alle wilden Projekte, die der junge Familie so vorschweben: Hühner im Garten, Baumhaus bauen, Buddelhügel hinterm Trampolin und Swimmingpool mit Sprungblock vom Terrassenrand. Es ist ein schöner Ort geworden um ganz Alt zu werden... ganz nah an der City und dennoch draußen vom richtigen Trubel und ein bisschen das Gefühl von großer Kleingarten-Romantik; schön anzuschauen, was Traditionelles, mit Herz und Seele, was klein sein darf und auch "Erwachsen" kann. Ein guter Ort!

„Daily Life schould not be banalized but exalted to become rich and meaningful!” (Ricardo Bofill)